Das Dorf Krolowstrand ist um das Jahr 1784 durch die
Ansiedlung von 4 Fischern aus Krolow, die dort ihre Katen errichteten,
entstanden. Die Verwaltung befand sich in Krolow.
Um das Jahr 1789 wurde Krolowstrand erstmalig auf der
Landkarte mit dem Namen Krolowscher—Strand erwähnt und später in
Krolowstrand umgeändert. Krolowstrand lag am Nordostufer vom Vietzker
See, etwa 1,5 km von der Ostsee und 22 km von der Kreisstadt Schlawe
entfernt. Die Gemarkung stieß im Osten an Görshagen und im Süden an die
Ländereien des Gutes Krolow. Im Westen/Nordwesten erstreckt sich der 1115
ha große Vietzker See und im Norden die Ostsee.
Anfangs war Krolowstrand ein reines Fischerdorf, deren
Bewohner sich von dem Handel mit Fischen ernährte. Im 19. Jahrhundert
wuchs das Dorf zu seiner eigentlichen Größe und war um das Jahr 1871 auf
271 Einwohner angestiegen. In dieser Zeit entwickelte sich auch die
Landwirtschaft. Auf dem guten Mutterboden in südlicher Lage wurde Roggen,
Hafer, Gerste, Kartoffeln und Rüben (Wruken) angebaut. Die Viehhaltung
erstreckte sich auf Pferde, Rinder, Schweine, Schafe und Kleintiere. Die
Landwirtschaft hatte in Ergänzung zur Fischerei den Charakter einer
Selbstversorgungswirtschaft.
Der
Fischer Julius Pagel beim Angelhaken sortieren und aufreihen
Viele Einwohner waren in der Forstverwaltung oder auf dem
Gut in Görshagen beschäftigt. Da sich in der Umgebung von Krolowstrand
etliche Wanderdünen befanden, fanden etliche Einwohner Arbeit bei der
Bepflanzung und Pflege der Dünen.
An Krolowstrand grenzte nach Osten Görshagen-Strand und
Waldkaten, die zu Görshagen gehörten und um 1928 nach Krolowstrand
eingemeindet wurden. So wurde Krolowstrand durch die Herauslösung als
Wohnplatz aus dem Gutsbezirk Krolow eine selbständige Landgemeinde. Um
das Jahr 1933 war die Gemarkung 730,9 ha groß.
Ebenso entwickelte sich in Krolowstrand das Handwerk, so
daß vorhanden und tätig waren: Gastwirtschaft Vanhauer,
Lebensmittelgeschäft August Braun, Mühlenbesitzer Hardtke, Schneider
Voß, Schneiderin Ida Dentel, Schuster August Priebe und Otto Boldt, sowie
einige Maurer. Die Fischereigenossenschaft stand unter der Leitung von
Richard Saber und die Räucherei wurde von Emil Pittelkow betrieben.
Fischräucherei von Emil Pittelkow
Um das Jahr 1884 wurde die einklassige Schule errichtet.
Wo der Schulunterricht vor dem Bau dieser. Schule stattgefunden hat,
konnte ich nicht in Erfahrung bringen. Zu der Schule gehörte eine
Lehrer— wohnung mit Landwirtschaft, die auch betrieben und in den 3Oiger
Jahren verpachtet wurde. Die mir bekannten Lehrer waren die Herren Haase,
Fuhrmann, Erdmann und Nintzgarn, der bis etwa 1942 in Krolowstrand tätig
war. In den Jahren 1943 und 1944 war ein reger Lehrerwechsel, oft kam
aushilfsweise ein Lehrer aus Krolow. In den ersten Jahren der Schulzeit
fand der Unterricht hauptsächlich in den Wintermonaten statt. In den
Sommermonaten fand der Schulunterricht überwiegend in den Morgenstunden
statt, da die Kinder ggf. in der Landwirtschaft mithelfen mußten. In den
Kriegsjahren 1943/44 mußten wir 12-l4jährigen Schulkinder im Frühjahr
den Schulunterricht für 6—8 Wochen unterbrechen, um beim Bepflanzen der
Dünen zu helfen. Im Herbst, während der Kartoffelernte, wurden wir von
der Gutsver— waltung aus Krolow/Görshagen angefordert und mußten
einige Tage bei der Kartoffelernte helfen, da es schon überall an
Arbeitskräfte mangelte. Es war meistens ein Achtstunden-Tag, für den wir
pro Stunde O,8o Mark erhielten.
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Durch die teilweise Aufsiedlung der Güter Krolow und
Görshagen wurde viel Land angepachtet und die Landwirtschaft entwickelte
sich dadurch in einem Umfang, so daß bereits einige größere Höfe
entstanden. Auch die kleineren landwirtschaftlichen Betriebe pachteten
Ackerland dazu, so daß man zu diesem Zeitpunkt von Krolowstrand als
Bauerndorf sprechen kann. Nachdem im Jahr 1924 kurz vor Weihnachten fünf
Fischer aus Krolowstrand beim Einholen der Netze in der Ostsee ertranken,
wurde die Fischerei eingestellt bzw. verboten. Es wurde nur noch als Hobby
und zum Eigenbedarf gefischt.
In dem Jahr 1934 wurde ein Reichsarbeitsdienstlager
eingerichtet, das bis 1944 bestand. Das Lager befand sich in der Nähe des
Forsthauses, unterhalb der Dünen. Der Arbeitsdienst wurde überwiegend
zur Küsten-befestigung eingesetzt. Dadurch wurde das Dorf belebt und es
entwickelte sich ein lebhafter Handel. In den späteren Jahren wurde das
Lager von Arbeitsmaiden belegt. Sehr zur Freude der Kinder fanden im
Sommer immer einige Veranstaltungen statt.
Die jungen Männer vom Arbeitsdienst hatten einen
Findling, den sie unterhalb der Tannenschonung nach Krolow hin aus dem
Vietzker See holten, in der Nähe des Lagers aufgestellt und folgenden
Spruch eingemeißelt:
Wanderer, hemme Deinen Schritt
und nimm diese Kunde mit:
In der Zeit der Deutschen Wende
regten Arbeitsmänner ihre Hände,
machten aus dem Dünenland
255 Hektar Kiefernbestand.
Es forderte 65415 Tagewerke,
gebe Gott zum Wachstum noch seine Stärke.
Arbeitsdienstabteilung
Stolp kam und in den Dünen ihre
militärischen Übungen hatten. Die Offiziere waren während dieser Zeit
bei Einwohnern untergebracht. Wir Kinder sind oft hinter der Gulaschkanone
hergelaufen und hatten Erbsensuppe erhalten, die lecker schmeckte.
Als der Flugplatz in Vietzkerstrand und die Heeresstraße
nach Stolpmünde gebaut wurden, fanden einige ,Bewohner dort ebenfalls
Arbeit.
In den 3Oiger Jahren wurde in Krolowstrand ein
Zoll-Wohnhaus errichtet. Auch zu diesem Zeitpunkt fanden einige Bewohner
ihre Anstellung beim Zoll sowie bei der Waffen- und Schließgesellschaft
in Vietzkerstrand. Es war für die Familie eine zusätzlich Einnahme zur
Landwirtschaft.
Krolowstrand gehörte zur Post in Görshagen. Die nächste
Bahnstation war erst in Schlakow, bis in Marsow auch eine Haltestelle
eingerichtet wurde. Die Entfernung war etwa 5 km. Das zuständige
Standesamt befand sich ebenso wie die Molkerei in Schlakow. Bis zur
Anlieferung der Milch bei der Molkerei wurde zuvor die Milch in den
Haushalten selbst verarbeitet, hierfür war in den Haushalten eine
Zentrifuge sowie ein Butterfaß vorhanden.
Viele Jugendliche erlernten auch einen Beruf. So
entwickelte sich Krolowstrand und Umgebung gut. Die Landwirtschaft ging
voran. Es wurden etliche Wohnhäuser gebaut, weitere waren in der Planung.
Aus Berlin kamen die ersten Kurgäste, die im Sommer ihren Urlaub in
Krolowstrand verlebten.
Die Straße von Krolowstrand nach Görshagen war im Bau,
eine Teilstrecke war bereits fertiggestellt. Es fehlte in unserem Ort nur
das elektrische Licht. Das lag aber an dem Bürgermeister, der seine
Bedenken hatte, daß der Blitz in die Reetdächer einschlagen würde, wenn
der elektrische Strom vorhanden ist.
Es war ein ruhiges, himmlisches Leben in unserem schönen
Krolow— strand und Pommernland. In all dieser Ruhe und Idylle begann
dann im September 1939 der leidige Krieg. So wurden die jungen Männer
eingezogen und mußten ihre traurige Pflicht erfüllen. Es kam relativ
schnell das bittere Ende, die ersten traurigen Nachrichten kamen, Sorge
und Leid zog in den Familien ein und die Zahl der gefallenen Männer wurde
immer größer.
Im Winter 1941/42, der sehr kalt war, stürzte ein
Flugzeug in der Nähe von Krolowstrand über dem Vietzker See ab. Das
Flugzeug steckte mit dem Vorderteil im Eis. Der Pilot war mit dem
Fallschirm abgesprungen. Da hatten wir sehr viel Glück, daß das Flugzeug
nicht über Krolowstrand abgestürzt ist. Für uns Schulkinder war das ein
Erlebnis und mußten gleich die Absturzstelle besichtigen. Ein anderes
trauriges Erlebnis hatten wir im Ort, als im Frühjahr/Sommer 1944 die
Frau von unserem Bürgermeister Notzke, Ida Notzke, beim Setzen der Wruken—
stecklinge auf dem Feld am Krolower Berg vom Blitz tödlich getroffen
worden ist.
Die Zeit wurde immer unruhiger und die Front rückte
näher. Der Gedanke, daß wir uns auf die Flucht begeben sollten, war
unvorstellbar. Anfang Februar 1945 kamen die ersten Flüchtlinge aus Ost-
und Westpreußen in unser Dorf. Die Front war schon sehr nahe, denn man
konnte, wenn es Abend war, den Feuerschein über Schlawe und Umgebung
sehen, sowie das Kanonendonnern hören. So hat uns Pastor Gödecke noch am
30.01.1945 in Lanzig konfirmiert und meinte, wir hätten die schwerste
Prüfung noch vor uns. Es war sehr kalt in der Kirche. Zur Abkürzung sind
wir über den zugefrorenen Vietzker See zum Gottesdienst gegangen.
Es wurde auch an die Flucht gedacht, aber wohin sollten
wir noch
gehen, denn zu der Zeit waren wir bereits eingeschlossen
und an ein Durchkommen war nicht mehr zu denken. Wir sollten noch von
Stolpmünde mit dem Schiff fliehen. Meine Kusine aus Stolpmünde war noch
acht Tage vor dem Einmarsch der Russen bei uns und hatte uns gebeten,
mitzukommen. Mein Onkel hatte einen bekannten Kapitän mit einem
größeren Fischkutter, der noch Platz für uns hatte und uns mitnehmen
wollte. Der Gedanke, alles in Stich und das Vieh ohne Futter in den
Ställen zu lassen, war für unsere Eltern wohl nicht vorstellbar. Unsere
Eltern hatten gedacht, daß es nicht so schlimm wird und wir in der Heimat
bleiben können, auch nach dem Ende des Krieges. Nur eine Familie aus
Krolowstrand hatte den Mut und ist noch einige Tage vor Einmarsch der
Russen mit dem Flugzeug von Vietzkerstrand ausgeflogen. Es war Minna Pagel
(Tinebrues) mit ihren Töchtern.
Am 09. März 1945 war für uns in Krolowstrand der Tag, an
dem für uns der Krieg beendet war. Um die Mittagszeit kam der Russe von
Krolow über den Krolower Berg in unser Dorf. Dieses Bild sehe ich heute
noch vor mir. Von da ab begann für die Bewohner ein langer Leidensweg,
vor allem für die Frauen und jungen Mädchen, egal wie alt sie waren.
Einige mußten viel erdulden und über sich ergehen lassen.
In unserer Schule war die Kommandantur untergebracht. Am
09.03.1945 mußte der größte Teil der Einwohner sich auf dem Fuchsberg
versammeln und wurden von dort von den Russen an die Ostsee gebracht, um
in den Dünen an der See Schützengräben zu bauen. Als die Arbeit beendet
war, mußten alle nach Vietzkerstrand, um den Flugplatz wieder in Ordnung
zu bringen. Die deutsche Wehrmacht hatte in den Rollbahnen Löcher
gesprengt, die wieder zugeschüttet wurden. Sie durften auch nicht nach
Hause, sondern waren in Vietzkerstrand auf dem Flugplatz im Hangar
untergebracht. Das alles ging aber nicht ohne Leiden der Frauen ab. Auch
die Männer hatten es nicht leicht, da sie die Frauen beschützen wollten.
Diese Arbeiten dauerten einige Zeit. Vielleicht war es auch für die
Beteiligten die Rettung vor einer Verschleppung, wie sie zu dieser Zeit
zum Teil auch in anderen Orten vorgekommen ist.
Etwa um den 11.03.1945 wurden sieben Männer und eine Frau
aus Krolow— strand verschleppt. Der Grund der Verschleppung soll allein
ihre Parteizugehörigkeit gewesen sein. Die Namen der verschleppten
Personen sind aus der Anlage hierzu ersichtlich. Auch mein Vater gehörte
zu diesem Personenkreis. Es war für mich ein schreckliches Erlebnis, als
ich morgens aufstand und erfahren mußte, daß mein Vater nicht mehr zu
Hause war. Er wollte nicht, daß Mutter uns Kinder weckt, sondern er
wollte ohne Abschied von uns gehen. Wir haben unseren Vater auch nicht
wiedergesehen.
Bis Ende März 1945 haben wir in Krolowstrand gelebt,
immer auf der Flucht vor den Russen. Etliche Nächte mußten wir im Freien
verbringen. Ende März 1945 mußten wir unsere Sachen packen, so viel wir
tragen konnten, und wurden mit dem Pferdewagen ca. 30 km Richtung Süden
gebracht. Ein Teil kam nach Kummerzin und der andere nach Groß—Schlönwitz.
Die Dörfer liegen östlich von Schlawe, in der Nähe der Bahnstation
Zitzewitz. In diesen Dörfern und der Umgebung befanden sich viele
Pommern, die von den Russen dorthin verschleppt wurden.
Zu der Zeit wurde besonders die Nähe der anderen Familien
gesucht, so daß wir auf engstem Raum untergebracht waren. Diese Maßnahme
sollte für jeden einzelnen als Schutz gegen die Russen dienen. Die
Verpflegung war in den Unterkünften nicht ausreichend. Nach einigen
Wochen wurden wir zum Arbeiten eingeteilt und mußten hierzu auf das Gut
Dubberzin. Im Mai 1945, nach 6 Wochen, konnten wir wieder zurück nach
Krolowstrand. Während unserer Abwesenheit hatten die Russen alle Häuser
durchsucht und geplündert. Die Fenster und Türen standen offen, so daß
die Häuser und Wohnungen u.a. von Schmutz und Ungeziefer heimgesucht
wurden. Das Vieh, soweit noch vorhanden, lief im Freien umher. Wir hatten
viel Mühe, den Unrat aus den Häusern zu entfernen. Während unserer
Verschleppung hatte der Russe zwei Familien in Krolowstrand
zurückbehalten, um Arbeitskräfte zu haben. Es waren die Familien Franz
Voss und Karl Hardtke, die in Görshagen bei Fam. Hardtke (Endbauer)
vorübergehend einquartiert waren.
Der Russe war in Stolpmünde in den Kasernen stationiert
und für uns Krolowstränder eine große Gefahr, denn durch die
Heeresstraße waren sie schnell und sehr oft stark betrunken in
Krolowstrand, immer auf der Suche nach Frauen. Viele Familien zogen
besonders nachts zusammen, hauptsächlich die Mütter mit ihren Töchtern,
um sich etwas sicherer zu fühlen. Wie oft wir die Flucht durch die
Fenster ergreifen mußten, um uns vor den Russen zu retten, kann man durch
die Vielzahl nicht sagen. Unser Glück war, daß die Fenster nicht so hoch
waren. So mußten wir manche Nacht im Freien verbringen. In den Scheunen
und Stallungen wurde im Stroh oder Heu so manches Versteck gebaut, damit
sich die Frauen darin am Tage aufhalten konnten. Soweit noch Wolle oder
Stoff vorhanden war, wurde in den Verstecken gestrickt bzw. genäht. Aber
nach einiger Zeit hatten die Russen von solchen Verstecken erfahren und
mit ihrem Säbel o.ä. durch das Stroh oder Heu gestochen. In dieser Zeit
war man immer auf der Flucht und Suche nach einem Versteck.
Im Juni/Juli 1945 fing die Zeit der Typhus—Erkrankungen
an. Es blieb keine Familie in Krolowstrand hiervon verschont. Viele dieser
Erkrankten sind verstorben. Einige sind in der beigefügten Anlage
genannt. Im Frühjahr 1946 wurde in Waldkaten bei der Familie August
Stöckmann die Tochter Therese, ihr Ehemann und das Baby erschossen. Der
Ehemann und das Baby waren sofort tot, die Tochter Therese kam noch
schwerverletzt nach Schlawe ins Krankenhaus, wo sie ebenfalls verstarb.
August Stöckmann wurde von den Russen mit einer Flasche über den Kopf
geschlaqen und hatte schwere Kopfverletzungen. Frau Stöckmann und ein
weiteres Enkelkind blieben unverletzt.
Im Sommer 1945 sind einige Krolowstränder zum Arbeiten
auf dem Gut nach Krolow gegangen. Dort bekamen wir täqlich 400 g Brot und
zum Mittagessen eine dünne Suppe mit Pferdefleisch. Manchmal haben die
jungen Mädels auch in Krolow übernachtet, denn dort war es mit den
Russen zu der Zeit nicht ganz so schlimm. Nachdem von den Russen aus
Stolpmünde in Krolowstrand eine Wachstation einqerichtet wurde, gingen
wir wieder nach Krolowstrand zurück. Die Männer mußten für die Russen
fischen. Wir haben die Fische mit der Schubkarre vom Strand geholt. Die
Frauen haben die Fische sauber gemacht und weiter bearbeitet. Geräuchert
wurden die Fische von Emil Pagel (Rollmops). So mancher Fisch; landete
woanders auf dem Tisch.
Mit der Verpflegung ging es im Jahre 1945 noch
einigermaßen, soweit man zu Hause sein konnte. Das Getreide wurde
geerntet und verarbeitet, sofern der Russe es uns nicht wegnahm. Das Korn,
das Willi Riehn mit der Windmühle gemahlen hat, durfte nur in der Nacht
zu Mehl oder Schrot verarbeitet werden.
Das Grab von Gustav Priebe auf dem Lanziger Friedhof
Der Müller Karl Hardtke war bereits an Typhus verstorben.
Es wurde auch Land mit dem Spaten umgegraben, einige haben
den Pflug gezogen, um Kartoffeln pflanzen zu können. Die Saat hatten wir
von den Kartoffelschalen. Die Kartoffeln wurden hierfür an den Stellen
mit den "Kartoffelaugen" etwas dicker geschält. Im Herbst haben
wir vom Krolower Gut Zuckerrüben entwendet, aus den Rübensaft gekocht
wurde. Wenn die Zeit auch traurig und voller Angst war, so hatten wir
Jugendliche so manchen Spaß, auch wenn uns die Gefahren nicht immer voll
bewußt waren.
Die Geburtstage wurden im Rahmen der Möglichkeiten immer
gefeiert. Dann traf sich die Jugend und es gab Kartoffelplinsen, die auf
einem Blech ohne Fett gebacken und mit Rübensaft bestrichen wurden. Das
war unser Festessen und hat geschmeckt bzw. mußte schmecken. Es wurden
auch. Gesellschaftsspiele gemacht und die ersten Tanzschritte bei Gesang
versucht. Der Wachmann von den Russen war meistens dabei und hatte oft als
Soloeinlage einen Kosakentanz vorgeführt. Wir Mädels brauchten vor ihm
keine Angst zu haben, denn er hatte seine Freundin. Wir waren wie eine
große Familie, Freud und Leid wurden meistens zusammen getragen. Alle
waren glücklich, noch in der Heimat sein zu dürfen.
Um sich ansässig zu machen, kamen Ende 1945 die ersten
Polen in die Dörfer der Umgebung von Krolowstrand. Die Bevölkerung wurde
aus ihren Häusern und aus der Heimat vertrieben. So hörte man täglich
von Vertreibungen und auch Gewaltanwendungen von den Polen.
Wir haben dann bei dem Polen zu arbeiten angefangen der
nach Görshagen kam und in der Forstwirtschaft als Förster beschäftigt
war. Zunächst mußten wir Tannenzapfen sammeln, aus denen Samen gewonnen
wurde. In der Nähe vom Forsthaus in Krolowstrand wurde ein Zuchtgarten
angelegt und der Samen dort ausgesät. Die Dünen an der Ostsee wurden
ebenfalls von uns bepflanzt. Im Winter mußten wir Bäume abholzen, es war
pro Person und Tag ein Festmeter vorgeschrieben. Feierabend gab es erst,
wenn dieses Soll erfüllt war. Zum Essen wurden Kartoffeln mitgenommen und
im Feuer gebacken. Da auch junge Polen mit uns zusammen arbeiteten, haben
diese oft versucht, uns die Kartoffeln zu stehlen, wogegen wir uns
natürlich vehement gewehrt haben. Für die Arbeiten in der
Forstwirtschaft sollten wir auch bezahlt werden, aber das klappte nicht
immer. Wir mußten nach Stolpmünde zur Kommandantur laufen und uns das
Geld abholen. Von dem Geld kauften wir uns in Stolpmünde etwas Salz,
Waschpulver und was noch so nötig und zu erhalten war.
Wenn wir nicht in der Forstwirtschaft gearbeitet haben,
waren wir in der Landwirtschaft in Marsow oder Pustamin tätig. Die Gefahr
für uns war, wenn wir zur Arbeit gehen wollten und Krolowstrand verlassen
hatten, daß uns die polnische Miliz mitnehmen würde und wir sonstwo
landeten. Einmal hat es mich erwischt und ich kam nach Lanzig. Unser
Vorteil war, daß wir die Gegend gut kannten und bei nächster Gelegenheit
über die Schleichwege nach Krolowstrand abhauten. Hierbei war uns das
Glück leider nicht immer hold.
Für uns Krolowstränder war es zu der Zeit recht schwer,
denn wir waren jetzt der doppelten Gefahr ausgesetzt. Einmal von den
Russen, die noch immer von Stolpmünde kamen, zum anderen von den Polen,
die von Görshagen in der Nacht kamen und uns die restlichen Sachen, die
wir nur noch hatten, stahlen.
Die polnische Miliz kam auch zu dem russischen Wachmann
inKrolowstrand und wollten junge Arbeitskräfte haben. Oft wurde dem
Wachmann dafür Alkohol angeboten. Manchmal mußten einige Krolowstränder
mitgehen, denn nicht immer blieb er standhaft. Trotz der leidigen Lage
haben wir manchmal gescherzt und uns gefragt, wieviel Liter Alkohol wir
dem russischen Wachmann wohl wert waren. Einige Zeit haben wir nachts
Wache geschoben, um den Russen zu holen, wenn Gefahr von den Polen drohte.
Ein Pole wurde auch einmal von dem russischen Wachmann angeschossen.
Im Frühjahr 1947 kamen die ersten Polen nach Krolowstrand,
um sich hier ansässig zu machen. Nun merkte man, daß wir nicht mehr
lange in unserer Heimat bleiben würden. Was war für uns nun besser, die
Heimat zu verlassen oder immer in dieser Angst zu leben, denn eine
Besserung der Lage war nicht sichtbar. Diese Entscheidung war von uns
ohnehin nicht zu treffen, denn Anfang Juli 1947 wurden wir mit unseren
geringen Habseligkeiten ausgewiesen und nach Schlawe gebracht. Zurück
blieben acht Familien, die noch für den Russen arbeiten mußten und erst
später ausgewiesen wurden.
Das Dorf Krolowstrand wurde später von den Polen in
Krolewice und Waldkaten in Szyskow umbenannt.
Nach Auskunft von Herrn Maas aus Görshagen, mit dem ich
auf dem Treffen des Kreises Schlawe in Witten gesprochen habe, besteht
Krolowstrand seit 1956 nicht mehr. Herr Maas wäre dabei gewesen, als die
Häuser in Krolowstrand abgerissen worden sind. Das Gebiet wurde als
Truppenübungsplatz für das polnische Militär ausgeweitet und ist
Sperrgebiet.
So ist unser schöner Heimatort Krolowstrand nur 172 Jahre
alt geworden. Wir älteren, noch lebenden Krolowstränder sind die letzten
Zeitzeugen und müssen uns bewußt machen, daß nach uns Krolowstrand
nicht mehr lebendig gehalten wird, sondern nur noch den Geschichtsbüchern
zu entnehmen sein wird. Deswegen war es für uns Krolowstränder ein
Herzenswunsch, daß im Herbst 1998 in der zuständigen Kirche zu Lanzig
eine Gedenktafel angebracht und geweiht werden durfte. (Abbildung
der Gedenktafel) Dadurch ist ein weiterer Hinweis erbracht worden,
daß dort einmal ein Dorf Krolowstrand existiert hat.
Dieser Bericht ist eine Gemeinschaftsarbeit mit meiner
Krolow— stränder Freundin, Lotti Mey, geb. Pagel.
Gertrud Albrecht,
Hamburg, den 22. Juli 1999