KROLOW STRAND

Kreis Schlawe / Pommern

Das Dorf Krolowstrand ist um das Jahr 1784 durch die Ansiedlung von 4 Fischern aus Krolow, die dort ihre Katen errichteten, entstanden. Die Verwaltung befand sich in Krolow.

 

Um das Jahr 1789 wurde Krolowstrand erstmalig auf der Landkarte mit dem Namen Krolowscher—Strand erwähnt und später in Krolowstrand umgeändert. Krolowstrand lag am Nordostufer vom Vietzker See, etwa 1,5 km von der Ostsee und 22 km von der Kreisstadt Schlawe entfernt. Die Gemarkung stieß im Osten an Görshagen und im Süden an die Ländereien des Gutes Krolow. Im Westen/Nordwesten erstreckt sich der 1115 ha große Vietzker See und im Norden die Ostsee.

Anfangs war Krolowstrand ein reines Fischerdorf, deren Bewohner sich von dem Handel mit Fischen ernährte. Im 19. Jahrhundert wuchs das Dorf zu seiner eigentlichen Größe und war um das Jahr 1871 auf 271 Einwohner angestiegen. In dieser Zeit entwickelte sich auch die Landwirtschaft. Auf dem guten Mutterboden in südlicher Lage wurde Roggen, Hafer, Gerste, Kartoffeln und Rüben (Wruken) angebaut. Die Viehhaltung erstreckte sich auf Pferde, Rinder, Schweine, Schafe und Kleintiere. Die Landwirtschaft hatte in Ergänzung zur Fischerei den Charakter einer Selbstversorgungswirtschaft.

Der Fischer Julius Pagel beim Angelhaken sortieren und aufreihen

Viele Einwohner waren in der Forstverwaltung oder auf dem Gut in Görshagen beschäftigt. Da sich in der Umgebung von Krolowstrand etliche Wanderdünen befanden, fanden etliche Einwohner Arbeit bei der Bepflanzung und Pflege der Dünen.

 

An Krolowstrand grenzte nach Osten Görshagen-Strand und Waldkaten, die zu Görshagen gehörten und um 1928 nach Krolowstrand eingemeindet wurden. So wurde Krolowstrand durch die Herauslösung als Wohnplatz aus dem Gutsbezirk Krolow eine selbständige Landgemeinde. Um das Jahr 1933 war die Gemarkung 730,9 ha groß.

 

Ebenso entwickelte sich in Krolowstrand das Handwerk, so daß vorhanden und tätig waren: Gastwirtschaft Vanhauer, Lebensmittelgeschäft August Braun, Mühlenbesitzer Hardtke, Schneider Voß, Schneiderin Ida Dentel, Schuster August Priebe und Otto Boldt, sowie einige Maurer. Die Fischereigenossenschaft stand unter der Leitung von Richard Saber und die Räucherei wurde von Emil Pittelkow betrieben.

Fischräucherei von Emil Pittelkow

 

Um das Jahr 1884 wurde die einklassige Schule errichtet. Wo der Schulunterricht vor dem Bau dieser. Schule stattgefunden hat, konnte ich nicht in Erfahrung bringen. Zu der Schule gehörte eine Lehrer— wohnung mit Landwirtschaft, die auch betrieben und in den 3Oiger Jahren verpachtet wurde. Die mir bekannten Lehrer waren die Herren Haase, Fuhrmann, Erdmann und Nintzgarn, der bis etwa 1942 in Krolowstrand tätig war. In den Jahren 1943 und 1944 war ein reger Lehrerwechsel, oft kam aushilfsweise ein Lehrer aus Krolow. In den ersten Jahren der Schulzeit fand der Unterricht hauptsächlich in den Wintermonaten statt. In den Sommermonaten fand der Schulunterricht überwiegend in den Morgenstunden statt, da die Kinder ggf. in der Landwirtschaft mithelfen mußten. In den Kriegsjahren 1943/44 mußten wir 12-l4jährigen Schulkinder im Frühjahr den Schulunterricht für 6—8 Wochen unterbrechen, um beim Bepflanzen der Dünen zu helfen. Im Herbst, während der Kartoffelernte, wurden wir von der Gutsver— waltung aus Krolow/Görshagen angefordert und mußten einige Tage bei der Kartoffelernte helfen, da es schon überall an Arbeitskräfte mangelte. Es war meistens ein Achtstunden-Tag, für den wir pro Stunde O,8o Mark erhielten.

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Durch die teilweise Aufsiedlung der Güter Krolow und Görshagen wurde viel Land angepachtet und die Landwirtschaft entwickelte sich dadurch in einem Umfang, so daß bereits einige größere Höfe entstanden. Auch die kleineren landwirtschaftlichen Betriebe pachteten Ackerland dazu, so daß man zu diesem Zeitpunkt von Krolowstrand als Bauerndorf sprechen kann. Nachdem im Jahr 1924 kurz vor Weihnachten fünf Fischer aus Krolowstrand beim Einholen der Netze in der Ostsee ertranken, wurde die Fischerei eingestellt bzw. verboten. Es wurde nur noch als Hobby und zum Eigenbedarf gefischt.

 

In dem Jahr 1934 wurde ein Reichsarbeitsdienstlager eingerichtet, das bis 1944 bestand. Das Lager befand sich in der Nähe des Forsthauses, unterhalb der Dünen. Der Arbeitsdienst wurde überwiegend zur Küsten-befestigung eingesetzt. Dadurch wurde das Dorf belebt und es entwickelte sich ein lebhafter Handel. In den späteren Jahren wurde das Lager von Arbeitsmaiden belegt. Sehr zur Freude der Kinder fanden im Sommer immer einige Veranstaltungen statt.

Die jungen Männer vom Arbeitsdienst hatten einen Findling, den sie unterhalb der Tannenschonung nach Krolow hin aus dem Vietzker See holten, in der Nähe des Lagers aufgestellt und folgenden Spruch eingemeißelt:

 

Wanderer, hemme Deinen Schritt
und nimm diese Kunde mit:

In der Zeit der Deutschen Wende
regten Arbeitsmänner ihre Hände,
machten aus dem Dünenland
255 Hektar Kiefernbestand.
Es forderte 65415 Tagewerke,
gebe Gott zum Wachstum noch seine Stärke.

 

Arbeitsdienstabteilung IV-41 1933-35

 

Krolowstrand war auch ein Ubungsgebiet für das Militär, das aus Stolp kam und in den Dünen ihre militärischen Übungen hatten. Die Offiziere waren während dieser Zeit bei Einwohnern untergebracht. Wir Kinder sind oft hinter der Gulaschkanone hergelaufen und hatten Erbsensuppe erhalten, die lecker schmeckte.

Als der Flugplatz in Vietzkerstrand und die Heeresstraße nach Stolpmünde gebaut wurden, fanden einige ,Bewohner dort ebenfalls Arbeit.

In den 3Oiger Jahren wurde in Krolowstrand ein Zoll-Wohnhaus errichtet. Auch zu diesem Zeitpunkt fanden einige Bewohner ihre Anstellung beim Zoll sowie bei der Waffen- und Schließgesellschaft in Vietzkerstrand. Es war für die Familie eine zusätzlich Einnahme zur Landwirtschaft.

Krolowstrand gehörte zur Post in Görshagen. Die nächste Bahnstation war erst in Schlakow, bis in Marsow auch eine Haltestelle eingerichtet wurde. Die Entfernung war etwa 5 km. Das zuständige Standesamt befand sich ebenso wie die Molkerei in Schlakow. Bis zur Anlieferung der Milch bei der Molkerei wurde zuvor die Milch in den Haushalten selbst verarbeitet, hierfür war in den Haushalten eine Zentrifuge sowie ein Butterfaß vorhanden.

Viele Jugendliche erlernten auch einen Beruf. So entwickelte sich Krolowstrand und Umgebung gut. Die Landwirtschaft ging voran. Es wurden etliche Wohnhäuser gebaut, weitere waren in der Planung. Aus Berlin kamen die ersten Kurgäste, die im Sommer ihren Urlaub in Krolowstrand verlebten.

 

Die Straße von Krolowstrand nach Görshagen war im Bau, eine Teilstrecke war bereits fertiggestellt. Es fehlte in unserem Ort nur das elektrische Licht. Das lag aber an dem Bürgermeister, der seine Bedenken hatte, daß der Blitz in die Reetdächer einschlagen würde, wenn der elektrische Strom vorhanden ist.

 

Es war ein ruhiges, himmlisches Leben in unserem schönen Krolow— strand und Pommernland. In all dieser Ruhe und Idylle begann dann im September 1939 der leidige Krieg. So wurden die jungen Männer eingezogen und mußten ihre traurige Pflicht erfüllen. Es kam relativ schnell das bittere Ende, die ersten traurigen Nachrichten kamen, Sorge und Leid zog in den Familien ein und die Zahl der gefallenen Männer wurde immer größer.

 

Im Winter 1941/42, der sehr kalt war, stürzte ein Flugzeug in der Nähe von Krolowstrand über dem Vietzker See ab. Das Flugzeug steckte mit dem Vorderteil im Eis. Der Pilot war mit dem Fallschirm abgesprungen. Da hatten wir sehr viel Glück, daß das Flugzeug nicht über Krolowstrand abgestürzt ist. Für uns Schulkinder war das ein Erlebnis und mußten gleich die Absturzstelle besichtigen. Ein anderes trauriges Erlebnis hatten wir im Ort, als im Frühjahr/Sommer 1944 die Frau von unserem Bürgermeister Notzke, Ida Notzke, beim Setzen der Wruken— stecklinge auf dem Feld am Krolower Berg vom Blitz tödlich getroffen worden ist.

 

Die Zeit wurde immer unruhiger und die Front rückte näher. Der Gedanke, daß wir uns auf die Flucht begeben sollten, war unvorstellbar. Anfang Februar 1945 kamen die ersten Flüchtlinge aus Ost- und Westpreußen in unser Dorf. Die Front war schon sehr nahe, denn man konnte, wenn es Abend war, den Feuerschein über Schlawe und Umgebung sehen, sowie das Kanonendonnern hören. So hat uns Pastor Gödecke noch am 30.01.1945 in Lanzig konfirmiert und meinte, wir hätten die schwerste Prüfung noch vor uns. Es war sehr kalt in der Kirche. Zur Abkürzung sind wir über den zugefrorenen Vietzker See zum Gottesdienst gegangen.

 

 

Es wurde auch an die Flucht gedacht, aber wohin sollten wir noch

gehen, denn zu der Zeit waren wir bereits eingeschlossen und an ein Durchkommen war nicht mehr zu denken. Wir sollten noch von Stolpmünde mit dem Schiff fliehen. Meine Kusine aus Stolpmünde war noch acht Tage vor dem Einmarsch der Russen bei uns und hatte uns gebeten, mitzukommen. Mein Onkel hatte einen bekannten Kapitän mit einem größeren Fischkutter, der noch Platz für uns hatte und uns mitnehmen wollte. Der Gedanke, alles in Stich und das Vieh ohne Futter in den Ställen zu lassen, war für unsere Eltern wohl nicht vorstellbar. Unsere Eltern hatten gedacht, daß es nicht so schlimm wird und wir in der Heimat bleiben können, auch nach dem Ende des Krieges. Nur eine Familie aus Krolowstrand hatte den Mut und ist noch einige Tage vor Einmarsch der Russen mit dem Flugzeug von Vietzkerstrand ausgeflogen. Es war Minna Pagel (Tinebrues) mit ihren Töchtern.

 

Am 09. März 1945 war für uns in Krolowstrand der Tag, an dem für uns der Krieg beendet war. Um die Mittagszeit kam der Russe von Krolow über den Krolower Berg in unser Dorf. Dieses Bild sehe ich heute noch vor mir. Von da ab begann für die Bewohner ein langer Leidensweg, vor allem für die Frauen und jungen Mädchen, egal wie alt sie waren. Einige mußten viel erdulden und über sich ergehen lassen.

In unserer Schule war die Kommandantur untergebracht. Am 09.03.1945 mußte der größte Teil der Einwohner sich auf dem Fuchsberg versammeln und wurden von dort von den Russen an die Ostsee gebracht, um in den Dünen an der See Schützengräben zu bauen. Als die Arbeit beendet war, mußten alle nach Vietzkerstrand, um den Flugplatz wieder in Ordnung zu bringen. Die deutsche Wehrmacht hatte in den Rollbahnen Löcher gesprengt, die wieder zugeschüttet wurden. Sie durften auch nicht nach Hause, sondern waren in Vietzkerstrand auf dem Flugplatz im Hangar untergebracht. Das alles ging aber nicht ohne Leiden der Frauen ab. Auch die Männer hatten es nicht leicht, da sie die Frauen beschützen wollten. Diese Arbeiten dauerten einige Zeit. Vielleicht war es auch für die Beteiligten die Rettung vor einer Verschleppung, wie sie zu dieser Zeit zum Teil auch in anderen Orten vorgekommen ist.

 

Etwa um den 11.03.1945 wurden sieben Männer und eine Frau aus Krolow— strand verschleppt. Der Grund der Verschleppung soll allein ihre Parteizugehörigkeit gewesen sein. Die Namen der verschleppten Personen sind aus der Anlage hierzu ersichtlich. Auch mein Vater gehörte zu diesem Personenkreis. Es war für mich ein schreckliches Erlebnis, als ich morgens aufstand und erfahren mußte, daß mein Vater nicht mehr zu Hause war. Er wollte nicht, daß Mutter uns Kinder weckt, sondern er wollte ohne Abschied von uns gehen. Wir haben unseren Vater auch nicht wiedergesehen.

 

Bis Ende März 1945 haben wir in Krolowstrand gelebt, immer auf der Flucht vor den Russen. Etliche Nächte mußten wir im Freien verbringen. Ende März 1945 mußten wir unsere Sachen packen, so viel wir tragen konnten, und wurden mit dem Pferdewagen ca. 30 km Richtung Süden gebracht. Ein Teil kam nach Kummerzin und der andere nach Groß—Schlönwitz. Die Dörfer liegen östlich von Schlawe, in der Nähe der Bahnstation Zitzewitz. In diesen Dörfern und der Umgebung befanden sich viele Pommern, die von den Russen dorthin verschleppt wurden.

 

Zu der Zeit wurde besonders die Nähe der anderen Familien gesucht, so daß wir auf engstem Raum untergebracht waren. Diese Maßnahme sollte für jeden einzelnen als Schutz gegen die Russen dienen. Die Verpflegung war in den Unterkünften nicht ausreichend. Nach einigen Wochen wurden wir zum Arbeiten eingeteilt und mußten hierzu auf das Gut Dubberzin. Im Mai 1945, nach 6 Wochen, konnten wir wieder zurück nach Krolowstrand. Während unserer Abwesenheit hatten die Russen alle Häuser durchsucht und geplündert. Die Fenster und Türen standen offen, so daß die Häuser und Wohnungen u.a. von Schmutz und Ungeziefer heimgesucht wurden. Das Vieh, soweit noch vorhanden, lief im Freien umher. Wir hatten viel Mühe, den Unrat aus den Häusern zu entfernen. Während unserer Verschleppung hatte der Russe zwei Familien in Krolowstrand zurückbehalten, um Arbeitskräfte zu haben. Es waren die Familien Franz Voss und Karl Hardtke, die in Görshagen bei Fam. Hardtke (Endbauer) vorübergehend einquartiert waren.

 

Der Russe war in Stolpmünde in den Kasernen stationiert und für uns Krolowstränder eine große Gefahr, denn durch die Heeresstraße waren sie schnell und sehr oft stark betrunken in Krolowstrand, immer auf der Suche nach Frauen. Viele Familien zogen besonders nachts zusammen, hauptsächlich die Mütter mit ihren Töchtern, um sich etwas sicherer zu fühlen. Wie oft wir die Flucht durch die Fenster ergreifen mußten, um uns vor den Russen zu retten, kann man durch die Vielzahl nicht sagen. Unser Glück war, daß die Fenster nicht so hoch waren. So mußten wir manche Nacht im Freien verbringen. In den Scheunen und Stallungen wurde im Stroh oder Heu so manches Versteck gebaut, damit sich die Frauen darin am Tage aufhalten konnten. Soweit noch Wolle oder Stoff vorhanden war, wurde in den Verstecken gestrickt bzw. genäht. Aber nach einiger Zeit hatten die Russen von solchen Verstecken erfahren und mit ihrem Säbel o.ä. durch das Stroh oder Heu gestochen. In dieser Zeit war man immer auf der Flucht und Suche nach einem Versteck.

 

Im Juni/Juli 1945 fing die Zeit der Typhus—Erkrankungen an. Es blieb keine Familie in Krolowstrand hiervon verschont. Viele dieser Erkrankten sind verstorben. Einige sind in der beigefügten Anlage genannt. Im Frühjahr 1946 wurde in Waldkaten bei der Familie August Stöckmann die Tochter Therese, ihr Ehemann und das Baby erschossen. Der Ehemann und das Baby waren sofort tot, die Tochter Therese kam noch schwerverletzt nach Schlawe ins Krankenhaus, wo sie ebenfalls verstarb. August Stöckmann wurde von den Russen mit einer Flasche über den Kopf geschlaqen und hatte schwere Kopfverletzungen. Frau Stöckmann und ein weiteres Enkelkind blieben unverletzt.

 

Im Sommer 1945 sind einige Krolowstränder zum Arbeiten auf dem Gut nach Krolow gegangen. Dort bekamen wir täqlich 400 g Brot und zum Mittagessen eine dünne Suppe mit Pferdefleisch. Manchmal haben die jungen Mädels auch in Krolow übernachtet, denn dort war es mit den Russen zu der Zeit nicht ganz so schlimm. Nachdem von den Russen aus Stolpmünde in Krolowstrand eine Wachstation einqerichtet wurde, gingen wir wieder nach Krolowstrand zurück. Die Männer mußten für die Russen fischen. Wir haben die Fische mit der Schubkarre vom Strand geholt. Die Frauen haben die Fische sauber gemacht und weiter bearbeitet. Geräuchert wurden die Fische von Emil Pagel (Rollmops). So mancher Fisch; landete woanders auf dem Tisch.

 

Mit der Verpflegung ging es im Jahre 1945 noch einigermaßen, soweit man zu Hause sein konnte. Das Getreide wurde geerntet und verarbeitet, sofern der Russe es uns nicht wegnahm. Das Korn, das Willi Riehn mit der Windmühle gemahlen hat, durfte nur in der Nacht zu Mehl oder Schrot verarbeitet werden.


Das Grab von Gustav Priebe auf dem Lanziger Friedhof

Der Müller Karl Hardtke war bereits an Typhus verstorben.

Es wurde auch Land mit dem Spaten umgegraben, einige haben den Pflug gezogen, um Kartoffeln pflanzen zu können. Die Saat hatten wir von den Kartoffelschalen. Die Kartoffeln wurden hierfür an den Stellen mit den "Kartoffelaugen" etwas dicker geschält. Im Herbst haben wir vom Krolower Gut Zuckerrüben entwendet, aus den Rübensaft gekocht wurde. Wenn die Zeit auch traurig und voller Angst war, so hatten wir Jugendliche so manchen Spaß, auch wenn uns die Gefahren nicht immer voll bewußt waren.

 

Die Geburtstage wurden im Rahmen der Möglichkeiten immer gefeiert. Dann traf sich die Jugend und es gab Kartoffelplinsen, die auf einem Blech ohne Fett gebacken und mit Rübensaft bestrichen wurden. Das war unser Festessen und hat geschmeckt bzw. mußte schmecken. Es wurden auch. Gesellschaftsspiele gemacht und die ersten Tanzschritte bei Gesang versucht. Der Wachmann von den Russen war meistens dabei und hatte oft als Soloeinlage einen Kosakentanz vorgeführt. Wir Mädels brauchten vor ihm keine Angst zu haben, denn er hatte seine Freundin. Wir waren wie eine große Familie, Freud und Leid wurden meistens zusammen getragen. Alle waren glücklich, noch in der Heimat sein zu dürfen.

 

Um sich ansässig zu machen, kamen Ende 1945 die ersten Polen in die Dörfer der Umgebung von Krolowstrand. Die Bevölkerung wurde aus ihren Häusern und aus der Heimat vertrieben. So hörte man täglich von Vertreibungen und auch Gewaltanwendungen von den Polen.

 

Wir haben dann bei dem Polen zu arbeiten angefangen der nach Görshagen kam und in der Forstwirtschaft als Förster beschäftigt war. Zunächst mußten wir Tannenzapfen sammeln, aus denen Samen gewonnen wurde. In der Nähe vom Forsthaus in Krolowstrand wurde ein Zuchtgarten angelegt und der Samen dort ausgesät. Die Dünen an der Ostsee wurden ebenfalls von uns bepflanzt. Im Winter mußten wir Bäume abholzen, es war pro Person und Tag ein Festmeter vorgeschrieben. Feierabend gab es erst, wenn dieses Soll erfüllt war. Zum Essen wurden Kartoffeln mitgenommen und im Feuer gebacken. Da auch junge Polen mit uns zusammen arbeiteten, haben diese oft versucht, uns die Kartoffeln zu stehlen, wogegen wir uns natürlich vehement gewehrt haben. Für die Arbeiten in der Forstwirtschaft sollten wir auch bezahlt werden, aber das klappte nicht immer. Wir mußten nach Stolpmünde zur Kommandantur laufen und uns das Geld abholen. Von dem Geld kauften wir uns in Stolpmünde etwas Salz, Waschpulver und was noch so nötig und zu erhalten war.

 

Wenn wir nicht in der Forstwirtschaft gearbeitet haben, waren wir in der Landwirtschaft in Marsow oder Pustamin tätig. Die Gefahr für uns war, wenn wir zur Arbeit gehen wollten und Krolowstrand verlassen hatten, daß uns die polnische Miliz mitnehmen würde und wir sonstwo landeten. Einmal hat es mich erwischt und ich kam nach Lanzig. Unser Vorteil war, daß wir die Gegend gut kannten und bei nächster Gelegenheit über die Schleichwege nach Krolowstrand abhauten. Hierbei war uns das Glück leider nicht immer hold.

 

Für uns Krolowstränder war es zu der Zeit recht schwer, denn wir waren jetzt der doppelten Gefahr ausgesetzt. Einmal von den Russen, die noch immer von Stolpmünde kamen, zum anderen von den Polen, die von Görshagen in der Nacht kamen und uns die restlichen Sachen, die wir nur noch hatten, stahlen.

 

Die polnische Miliz kam auch zu dem russischen Wachmann inKrolowstrand und wollten junge Arbeitskräfte haben. Oft wurde dem Wachmann dafür Alkohol angeboten. Manchmal mußten einige Krolowstränder mitgehen, denn nicht immer blieb er standhaft. Trotz der leidigen Lage haben wir manchmal gescherzt und uns gefragt, wieviel Liter Alkohol wir dem russischen Wachmann wohl wert waren. Einige Zeit haben wir nachts Wache geschoben, um den Russen zu holen, wenn Gefahr von den Polen drohte. Ein Pole wurde auch einmal von dem russischen Wachmann angeschossen.

 

Im Frühjahr 1947 kamen die ersten Polen nach Krolowstrand, um sich hier ansässig zu machen. Nun merkte man, daß wir nicht mehr lange in unserer Heimat bleiben würden. Was war für uns nun besser, die Heimat zu verlassen oder immer in dieser Angst zu leben, denn eine Besserung der Lage war nicht sichtbar. Diese Entscheidung war von uns ohnehin nicht zu treffen, denn Anfang Juli 1947 wurden wir mit unseren geringen Habseligkeiten ausgewiesen und nach Schlawe gebracht. Zurück blieben acht Familien, die noch für den Russen arbeiten mußten und erst später ausgewiesen wurden.

 

Das Dorf Krolowstrand wurde später von den Polen in Krolewice und Waldkaten in Szyskow umbenannt.

 

Nach Auskunft von Herrn Maas aus Görshagen, mit dem ich auf dem Treffen des Kreises Schlawe in Witten gesprochen habe, besteht Krolowstrand seit 1956 nicht mehr. Herr Maas wäre dabei gewesen, als die Häuser in Krolowstrand abgerissen worden sind. Das Gebiet wurde als Truppenübungsplatz für das polnische Militär ausgeweitet und ist Sperrgebiet.

 

So ist unser schöner Heimatort Krolowstrand nur 172 Jahre alt geworden. Wir älteren, noch lebenden Krolowstränder sind die letzten Zeitzeugen und müssen uns bewußt machen, daß nach uns Krolowstrand nicht mehr lebendig gehalten wird, sondern nur noch den Geschichtsbüchern zu entnehmen sein wird. Deswegen war es für uns Krolowstränder ein Herzenswunsch, daß im Herbst 1998 in der zuständigen Kirche zu Lanzig eine Gedenktafel angebracht und geweiht werden durfte. (Abbildung der Gedenktafel) Dadurch ist ein weiterer Hinweis erbracht worden, daß dort einmal ein Dorf Krolowstrand existiert hat.

 

Dieser Bericht ist eine Gemeinschaftsarbeit mit meiner Krolow— stränder Freundin, Lotti Mey, geb. Pagel.

 

Gertrud Albrecht,

Hamburg, den 22. Juli 1999

 

 
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erstellt von Margret Ott Letzte Aktualisierung Mittwoch, 30. Januar 2002