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Sagen aus Sydow
Die Schnauk und die Kuh
Wenn der Kuhhirt von Sydow im Kreise Schlawe des Morgens seine Rinder
austrieb und im nahen Walde angelangt war, so verschwand regelmäßig
auf einige Zeit die eine Kuh, welche einem
Tagelöhner gehörte, und war fürs erste nicht wieder zu finden. Kam
sie dann endlich zu der Herde zurück, so waren die Euter schlaff und
ausgesogen .
Da der Hirt trotz aller Sorgfalt die
Ursache dieser sonderbaren Erscheinung nicht ausfindig machen konnte, so
behielt der Eigentümer seine Kuh im Stalle zurück und schloss sie dort
fest ein. Aber auch das half nichts.
Die Euter schwollen vielmehr stark an, und an
Milchertrag war ebensowenig zu denken, wie zuvor. Als so der dritte Tag
gekommen war, ließ man die Kuh wieder aus dem Stalle, und Tagelöhner
und Hirte folgten ihr eifrig nach. Die Kuh rannte sofort dem Walde
zu, in das Gebüsch hinein, bis sie zu einem Steinhaufen gelangte. Dort
blieb sie stehen und brüllte, gleich als ob sie dadurch jemand von
ihrer Ankunft benachrichtigen wollte.
Kaum war ihr Gebrüll verstummt, so schlüpfte
eine große Schnauk unter den Steinen hervor, schlang sich um das
Hinterbein des Rindes und kroch daran bis zum Euter empor, worauf sie
nacheinander aus allen vier Zitzen die Milch bis zum letzten Tropfen
aussog. Soweit ließen die beiden Leute die Schlange gewähren; dann
stürzten sie aber auf sie los, rissen sie von der Kuh herab und
schlugen sie tot. Seit der Zeit hat sich das Rind nie wieder von der
Herde getrennt und immer reichlich Milch gegeben .
Entnommen: Neumann, Siegfried, Sagen aus Pommern, Lizenzausgabe bei
Weltbild Verlag 1998,
ISBN3-86047-196-1
Ursprüngliche Quelle: Jahn 1886,S. 139f,Nr. 171, mdl. aus Sydow, Kreis
Schlawe
Ein Irrlicht wird durch Fluchen vertrieben
Der Pastor von Sydow (Kreis Schlawe) fuhr einst in später Nacht von
Gutzmin zurück. Den Wald hatten sie schon hinter sich und hätten nun
Sydow unten im Grunde vor sich liegen sehen müssen. Das war aber
diesmal nicht der Fall, denn plötzlich tauchte ein Irrlicht vor ihnen
auf und führte sie dermaßen in die Irre, daß sie schließlich in
einen tiefen Morast gerieten, aus dem kein Ausweg mehr möglich schien.
Da ward es dem Knechte denn doch zu arg, und
während er bisher auf den Stand des Herrn Pastor Rücksicht genommen
hatte, hub er jetzt greulich an zu fluchen. "Was fällt dir
ein?" schrie der Pastor entsetzt.
Aber siehe, das Licht wurde durch die
gotteslästerlichen Reden zusehends kleiner. Da wurde denn auch für
diesmal der Prediger anderer Meinung und sprach: "Na, Friedrich,
wenn's so hilft, dann fluche noch einmal." Und richtig, kaum hatte
Friedrich seine Litanei zu Ende gebracht, so war das Irrlicht
verschwunden, und sie wurden gewahr, dass sie hart am Rande des
Maschinkesees sich befanden, der gerade auf der Grenze von Gutzmin und
Sydow liegt. Es dauerte eine gute Weile, bis der Wagen wieder auf das
feste Land gebracht war, und erst gegen Morgen langten sie in dem Dorfe
an.
Entnommen: Neumann, Siegfried, Sagen aus Pommern, Lizenzausgabe bei
Weltbild Verlag 1998,
ISBN3-86047-196-1
Ursprüngliche Quelle: Jahn 1886,S. 395f,Nr. 504, mdl. aus Sydow, Kreis
Schlawe
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